Die Jury würdigt Esther Hunziker mit dem Established-Preis für ihr langjähriges und konsequentes Schaffen mit digitalen Mitteln. Seit Anfang der 2000er-Jahre tritt sie regelmässig mit eigenständigen Arbeiten und einer unverkennbaren visuellen Sprache in Erscheinung. Sie nutzt Software auf originelle Weise genuin für ihre fiktiven Narrative und visuellen Erfindungen und gehört zu den herausragenden Stimmen in der digitalen Kunstszene der Schweiz.
Ihre Projekte sind spannende Untersuchungen über softwarebasierte Medien. Von den Anfängen mit HTML, JavaScript, Flash und QuickTime bis hin zu den neuesten KI-Tools nutzt sie immer wieder die innovativen digitalen Mittel der jeweiligen Zeit. Die interaktiven Websites Nord von 2003 und the alphabet ltd.™ von 2005 (beide in Zusammenarbeit mit Felix Zbinden) zeigen schon früh in ihrem Werk, wie Nonlinearität und Interaktivität als wichtige Qualitäten für digitales Erzählen im Internet genutzt werden können.
Thematisch durchzieht das Fremde und Unheimliche, aber auch das Fehlerhafte die Arbeiten von Esther Hunziker. Seien es unperfekte 3-D-Daten und nicht passende Mappings von Google Earth, die in Earth (A Space Odyssey/Oddity) von 2016 zu neuen, überraschenden Formationen führen, oder in Streamers von 2018 die Gefühlsströme von Youtubern, die in sprechende 3-D-Steine hochgeladen werden. Dieses Unbehagen finden wir auch bei ihren neuesten Arbeiten wie Cover. Take 1–176 von 2023/2024, in denen sie die Gesichtspartie von Bildporträts durch KI-generierte, skulpturale Interpretationen ihrer Prompts ersetzt. Auch hier bricht durch das vermeintlich Bekannte und Vertraute etwas Irritierendes und Unkontrollierbares hindurch: Ihre Bildfindungen sind «uncanny» im besten Sinne des Wortes und widerspiegeln das Spannungsfeld von Faszination und Angstlust, in das wir uns immer wieder verstricken, wenn es um den technologischen Fortschritt geht.
Ausgewählte Preise und Residenzen
Basler Medienkunstpreis, Film und Medienkunst BS/BL, 2024, 2016 | Werkbeitrag für Bildende Kunst und Performance, Aargauer Kuratorium, 2018 | iaab, Austausch- und Atelierprogramm Region Basel, Berlin, 2011; Edinburgh, 2005; Helsinki, 1999 | Bundesamt für Kultur, sitemapping/mediaprojects. Projektbeitrag, 2008 | Kunst kredit Basel-Stadt, Projektbeitrag, 2007; 2004; 1996 | Viper – International Festival for Film Video and New Media 2004 | Auszeichnung Swiss Award, 2004 | Literatur.digital, 2003 | Deutscher Taschenbuch Verlag dtv & t-online. Auszeichnung 1. Preis, 2004 | Pro Helvetia und Vereinigung Aspekt. Atelierstipendium, 1997
Ausgewählte Ausstellungen
Pinakothek der Moderne, München | HEK (Haus der Elektronischen Künste), Basel | Medienfassade Novartis Pavillon, Basel | FRAC Alsace, Sélestat | MU Hybrid Art House, Eindhoven | Roehrs & Boetsch, FitArt – APP, roehrsboetsch.com | Kaliningrad Museum of Fine Arts | Shenzhen New Media Art Festival | Espace Multimédia Gantner, Bourogne | Aargauer Kunsthaus, Aarau | FUTURO Gallery, Nischni Nowgorod | OUTPUT Gallery, online exhibitions | Kunsthaus Baselland, Muttenz | Kunsthalle Basel | Kunstraum LLC, New York | GIV Groupe Intervention Vidéo, Montreal | Kunsthalle Osnabrück | Der TANK, online exhibitions | CentrePasquArt, Biel | eka Europäische Kunst akademie Trier
Alfatih
Falls es überhaupt möglich ist, so etwas wie die Enthaltung zu kennzeichnen, dann stellt Alfatih sicherlich eine bemerkenswert schwer fassbare Figur in der Schweizer Medienkunstszene dar oder in irgendeiner anderen «Szene» überhaupt. Biografische Informationen und Künstlerstatements werden bewusst spärlich gehalten, was eine süsse, aber hartnäckige Weigerung darstellt, die seine Haltung zur zeitgenössischen digitalen Technologie widerspiegelt.
Aus scheinbar alltäglichen Umgebungen und Requisiten des trivialen Lebens hervorgehend – oder sich in ihnen auflösend – führen uns Alfatihs Werke zu Charakteren, die wir als vorverbal betrachten, menschliche Figuren in einem frühen Stadium sowohl der Freiheit als auch der Abhängigkeit. Die Betrachtenden zwischen Doppelspiegeln oder am Steuer von Haushaltsgeräten, die eine Zivilisation der Kontrolle symbolisieren, zurücklassend, versetzt Alfatih einen in einen ambivalenten Zustand gegenüber diesen potenziell unschuldigen Wesen. Wir befinden uns sowohl in einer Position der Ausübung der besagten Kontrolle als auch des Unterwerfens unter die ersten Fluten einer Erzählung ohne sichtbaren menschlichen Autor.
A Day in the Life, ein in Auftrag gegebener CGI-Animationsfilm, der einen Tag im Leben eines «erwachsenen Babys» zeigt, war Alfatihs erste US-Einzelausstellung am Swiss Institute in New York im Jahr 2023. Darin entfaltet sich eine 24-Stunden- Erzählung, die von KI geschrieben wurde, gesteuert durch Eingaben des Künstlers und vertont vom Musiker und Theoretiker Tapiwa Svosve. Während der Tag vergeht und das Baby erwachsene Rituale ausführt, die durch Zeitstempel markiert sind, und scheinbar die Zustimmung seiner Uhren sucht, sickert die stille Melancholie eines einsamen, repetitiven Lebens leise durch das Gefüge von Zeit und Sprache.
In A Way Out of Time (2024), gezeigt im Rahmen der Biennale de l’Image en Mouvement 2024 im Centre d’Art Contemporain in Genf, übernehmen die Besuchenden die Kontrolle über einen viktorianischen Kinderwagen und, so wird impliziert, über das Kleinkind, das er angeblich trägt. Bewegung über den Galerieboden und die institutionelle Landschaft aktivieren jedoch eine Echtzeit-KI-Erzählung, eine ChatGPT- unterstützte «dérive» durch eine trostlose, von KI generierte Landschaft. Während rituelle Bewegung der Maschine aufgezwungen wird, schieben die Betrachter:innen den KI-Sprössling und helfen ihm dabei, «die Leere mit künstlichen Erinnerungen zu füllen» (Alice Bucknell in Mousse, Februar 2024).
Preise und Residenzen
Pro Helvetia, Werkbeitrag (A Way Out of Time), 2023 | Residency KORA Contemporary Arts Center, Castrignano, 2022 | Residency ABA Air Berlin Alexander Platz, Berlin, 2021 – 2022 | Golden Award & Space Award, Bugnplay, 2019 | Awards for talent and creativity, Fondation Casino Barri.re de Montreux, 2018
Ausgewählte Ausstellungen
Centre d’Art Contemporain, Geneva | Swiss Institute, New York | Blue Velvet Projects, Zurich | Kora Arts Center, Castrignano | Musée cantonal des Beaux-Arts, Lausanne | Fri Art Kunsthalle, Fribourg | HEK (Haus der Elektronischen Künste) Basel | Circuit, Lausanne
Stefan Karrer
Stefan Karrer verfügt über einen feinen Sinn für Poetik und Ironie, mit dem er die zeitgenössische digitale und Online-Kultur scharf kritisiert. Hinter den scheinbar banalen Bildern und Themen, die er untersucht, verbergen sich bedeutende gesellschaftliche Veränderungen, die durch aktuelle Medientechnologien geprägt sind.
In Cool clouds that look like they should be spelling something, but they don’t (2016) kreiert Karrer eine automatisierte Desktop-Performance, die die Betrachtenden durch sein Archiv von gefundenen Bildern und Bildunterschriften auf Flickr führt. Beim Navigieren durch die von Nutzer:innen hinzugefügten Bildunterschriften rezitiert eine Computerstimme diese «verrückten», «coolen» oder «einsamen» Online-Wolken und konfrontiert die Betrachter:innen mit Online-Phänomenen, die sich zunehmend von der Realität entfernen. In diesem Kontext wird die Natur medialisiert, abstrahiert und Teil der vernetzten sozialen Kommunikation.
In Calypso Cave (2021) geht Karrer der Frage nach, wie Wahrheit und Realität durch Online-Kultur und -Kommunikation geformt werden. In dieser Arbeit sammelt und kompiliert der Künstler über zehn Jahre lang Instagram-Bilder und deren Bildunterschriften und dokumentiert, wie Nutzer:innen Bilder der «falschen» CalypsoHöhle geteilt haben, die nach einem Teileinsturz im Jahr 2010 – kurz nach dem Start von Instagram – für die Öffentlichkeit geschlossen worden war.
Durch Strategien der Aneignung und des experimentellen Schreibens untersucht Karrer die Macht der vernetzten Technologien, die Politik und Poetik des Internets und unseren Konsum von Online-Medien. Die Jury war beeindruckt von der Fähigkeit des Künstlers, soziale und politische Fragen im Zusammenhang mit vernetzten Medien durch seine ironischen und witzigen, aber auch zarten und poetischen Transformationen des Ausgangsmaterials zu thematisieren.
Preise und Residenzen
Recherchebeitrag Basel-Stadt, 2023 | Atelier Mondial, Johannesburg/Cape Town, 2019 | Pro Helvetia Werkbeiträge Kunst, 2017 | Fachausschuss Film und Medienkunst BS/BL, Basler Medienkunstpreis 2017 | Residenza Petrolio, amt_project, Puglia, 2017
Ausgewählte Ausstellungen
Kunsthalle Basel | HEK (Haus der Elektronischen Künste), Basel | Centre Culturel Suisse, Paris | Fotomuseum Winterthur | C/O Berlin | Künstlerhaus Faktor, Hamburg | Kunstraum Niederösterreich, Wien | Kunsthaus Baselland, Muttenz
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